»Ich habe mir ein fremdes Grab ›angeeignet‹. Es ist verwildert, niemand kümmert sich seit mindestens zwei Jahren darum. Warum nicht? Ist niemand mehr da oder kann ein Jemand nicht mehr kommen? Es gibt viele solcher Gräber auf vielen Friedhöfen. Die Disteln stehen mit mir auf Augenhöhe. Kräftige Brombeerzweige haben sich kreuz und quer über den ausgeuferten Erikabusch verbreitet. Brennnesseln, Erdbeeren und viele andere kleinere und größere Gewächse wuchern um die Wette. Ein befreundeter Biologe macht mir eine Bestandsaufnahme, bevor ich zum ersten Mal Hand anlege.« ist in dem Buch von Christiane Rath zu lesen, das auf dem Tisch in der Bibliothek präsentiert wird.
Der Titel des Buches: ›Unvergessen – Eine temporäre Grabaneignung‹. Christiane Rath pflegt über ein Jahr lang ein verwildertes Grab auf dem Kölner Südfriedhof. Sie begibt sich dabei auf eine Gedankenreise durch erfundene und gehörte Lebensgeschichten, verwebt eigene biografische Details in das Spiel mit dem Spiel des Lebens. Erinnern und Vergessen, Realität und Fiktion verschwimmen; aus der experimentellen Aneignung einer fremden Grabstätte wird eine emotionale Anverwandlung.